Den einleitenden Part ersparen wir euch mal. Den, von den zig Millionen Menschen in Kurzarbeit und sich anbahnenden Massenentlassungen. Den, über den destruktiven Charakter des Kapitalismus. Den Part über den Weg hin zu einer Welt, in der der Markt und seine Profitierenden nicht mehr vergöttert werden, hin zu einer Welt, welche die Menschen solidarisch gestalten. In diesem Text soll es darum gehen, warum wir es gut finden, Krisendemos in Reichenvierteln zu machen und zwar bevor die Verteilungskämpfe so richtig losgehen.

Die Ausgangslage für den Aktionstag sind die erwartbaren ökonomischen Folgen der Corona-Krise und die möglichen sozialen Zerwürfnisse. Die Krise wurde durch das Corona-Virus ausgelöst, hatte sich aber auch schon in einer schleichenden Stagnation angedeutet. Das ist nicht verwunderlich, denn ökonomische Krisen tauchen im Kapitalismus systematisch auf. Wir wollen hier auch kein Betroffenheitsfass aufmachen. Wenn die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern und Massenarbeitslosigkeit entsteht, ist das schlecht für alle Werktätigen sowie für eine Gesellschaft als Ganzes.
Der Aktionstag soll frühzeitig in den Diskurs über die Verteilung der Krisenlast intervenieren, genauso aber auch in die Frage, wer von Konjunkturpaketen wie profitieren soll. Wir wollen an dem Tag klar machen, dass wir keinen Bock auf neoliberale Krisenbewältigungsstrategien haben und eine generelle Abwendung vom neoliberalen Dogma erfolgen muss. Wir gehen davon aus, dass sich die „Den Gürtel enger schnallen“-Debatte noch deutlich verschärfen wird: Arbeitgeber*innenverbände und liberale Konservative haben sich schon in Stellung gebracht.

Wir finden es wichtig frühzeitig zu intervenieren, um Einfluss auf das mediale Framing des Diskurses zu nehmen. Es kann nicht sein, dass wir als Linke das Thema sozialer Auseinandersetzungen der Aluhutfraktion, Nazis, Liberalen oder Vertreter*innen der Kapitalseite überlassen. Wir wollen weder über Bill Gates oder „die Chinesen“ sprechen, noch andere rassistische Narrative bedienen, geschweige denn hohe Löhne problematisieren. Wir wollen über Klassen sprechen und darüber, dass wir es nicht einsehen, schon wieder den Kopf hinzuhalten.

Des Weiteren geht es auch darum, die eigenen Leute in Stellung zu bringen und schon frühzeitig mit Interessierten zu netzwerken, um sich gemeinsam auf die sich noch verstärkenden Kämpfe vorzubereiten. Wir sehen den Aktionstag als Auftakt und Teil einer sich noch formierenden Bewegung gegen neoliberale Krisenverwaltung im Speziellen, und den Kapitalismus im Allgemeinen. 
Vor dem Hintergrund der aktuellen Krise kam unseres Erachtens zu diesem Thema bisher zu wenig von der außerparlamentarischen Linken. Dies ist eine Leerstelle. Für politisch ungebundene Menschen, welche auch von materiellen Ängsten geleitet werden, zeigen sich derzeit einzig die Demonstrationen der Corona-Spinner*innen als vermeintliche Möglichkeit zum Protest. Bei den Aluhut-Protesten besteht die Gefahr, dass diese Menschen von Rechtsextremen und -esoteriker*innen abgegriffen oder politisch verprellt werden. Unser Aktionstag ist somit auch als antifaschistische Intervention zu verstehen. 
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen halten wir das medial für eine geschickte Strategie, da sich Demorouten so u.a. von den Straßen, durch die man sonst so während Demonstrationen zieht, unterscheidet.
Außerdem finden Demoteilnehmer*innen es sicher interessant, mal zu schauen, wie „die Oberen“ so leben und wo ihre Mehrarbeit sich so akkumuliert. An diesen Orten des offensichtlichen Reichtums und Überflusses wird umso mehr deutlich, wie tief gespalten unsere Gesellschaft ist und dass eben nicht überall der Gürtel enger geschnallt werden muss. In Reichenvierteln zeigt sich wieder, dass eben immer die Gleichen keine Angst vor Mangel haben müssen. Nein, vielmehr haben sie ihren Reichtum privatisiert und müssen sich im Gegensatz zur arbeitenden Mehrheit der Gesellschaft nicht sorgen. Ihr Reichtum ist für die Gesellschaft (scheinbar) unzugänglich.
Somit hoffen wir auch, durch die plakative Gegenüberstellung einen kleinen Dienst am Klassenbewusstsein der Linken zu leisten. Vielleicht ist es einfacher, den Klassencharakter des Kapitalismus‘ zu begreifen, wenn mensch vor einer Villa steht, als wenn mensch sich schon selber als privilegiert begreift, weil der Job halbwegs gut bezahlt ist. Wir werden bei Demos und Aktionen einen Fokus auf prekarisierte Jobverhältnisse legen. So wollen wir beispielsweise in Hamburg eine stilisierte Statue eine*r*s ungesehenen Arbeiter*s*in mitführen und auf der Demoroute im Viertel der Reichen aufbauen, um zu verdeutlichen, wer ihren Reichtum geschaffen hat.

Wir haben nichts gegen Reiche persönlich. Es gibt unter ihnen bestimmt auch sehr nette Menschen. Aber wenn wir ehrlich sind, kennen wir auch keine. Es ist systematisch, dass Reichtum im Kapitalismus entsteht (und wir haben auch nichts dagegen, dass einzelne ihren „Way of Joy“ darin sehen, viel Geld zu verdienen). Entgegenstellen wollen wir uns der öffentlichen Darstellung zur Entstehung von Reichtum. Zum Beispiel dass dieser auf harter Arbeit des*der Reichen beruht. Klar entsteht Reichtum durch Arbeit, aber halt durch die der Arbeiter*innen, die durch Einsatz ihrer Arbeitskraft Reichtum erschaffen, davon aber nur einen Bruchteil als Lohn erhalten. Auch die Erzählung, dass Reichtum aus dem Nichts entstehe, ist Quatsch: Reichtum entsteht zum Großteil aus Reichtum. Er ist in den seltensten Fällen persönlicher Verdienst, sondern eher Ausdruck einer Gesellschaft, deren Grundvoraussetzung Ungleichheit ist. Dieser Klassencharakter taucht in der Debatte über Reichtum aber kaum auf. Das muss sich ändern.

Wir laden sie ein, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel zu streiten. Sie dürfen und sollen das auf unseren Demos und Aktionen machen, sofern sie unser Anliegen unterstützen. In Berlin haben wir z.B. einen Demo-Block für Millionär*innen. Ansonsten wollen wir nichts! Wir wollen nicht betteln, unsere Aktionen sollen nicht Reiche motivieren in einer selbstgerechten, theatralischen Geste ein bisschen was locker zu machen. Stattdessen wollen wir klar machen, dass eine Gesellschaft ein Problem hat, wenn sie solche Ungleichheiten produziert. Und da ist der Reichtum der Reichen nun mal die eine Seite von, die benannt werden muss.
Hinzu kommt, dass das System auch durch die Beteiligung lebt. Hier ist hervorzuheben, wie die Kapitalseite Einfluss auf Politik und Ähnliches nimmt, um ihren Reichtum zu erhalten und auszubauen. Das ist kein Hexenwerk oder auch keine geheime Verschwörung. Es sind zum einen Lobbyorganisationen/Interessensverbände aber auch vorherrschende Ideologien wie: „Die Geschichte vom Fahrstuhleffekt“, „Die Geschichte vom gerechten Reichtum“, „Der deutsche Mittelstand“, „Sozial ist, was Arbeit schafft“, „Jede*r kann es schaffen, wenn er*sie nur hart genug dafür arbeitet“ und „Das regelt der Markt“. Es gilt zu widersprechen: den Lobbies wie auch den kapitalistischen Gute-Nacht-Geschichten.  

Warum nicht! Wir verstehen uns als Linke und als Werktätige, wer soll es also sonst machen? Wir glauben, dass jede*r Politik machen kann, wobei die Einflussmöglichkeiten da natürlich unterschiedlich sind. Wir entscheiden uns für die Selbstorganisation und für den Druck der Straße. Wir freuen uns über jede Einzelperson oder Initiative, welche sich uns anschließt bzw. selber Sachen auf die Beine stellt.

Generell freuen wir uns über jede*n, der*die bei unseren Demos und Aktionen mitmachen und diese mitgestalten möchte und nicht meint die „Ausländer*innen“ sind schuld!

Wir zahlen alle Kosten sowohl aus eigener Tasche, als auch – und bislang sogar vor allem – aus Spenden und Zuwendungen. Wenn auch Du unsere Arbeit finanziell unterstützen möchtest, kannst Du uns gern schreiben: werhatdergibt@riseup.net.
Große Summen von Menschen, die viel geben können, sind natürlich gern gesehen!

Bedenken im Rahmen der Diskussionen um den Kampagnennamen gab es 1. bei der Frage, ob der Titel nicht irgendwetwas „religiöses“ habe,2. bei der, ob das nicht nach freiwilliger Selbstverpflichtung klinge, und 3. bei der, ob er nicht gegendert werden müsste, wenn man emanzipatorische Politik machen möchte.

Wir haben uns trotzdem für WHDG entschieden, und müssen nun mit diesen Unbehagen Leben, wahrscheinlich gibt es keinen perfekten Titel.

  1. Unsere Forderungen mögen Überschneidungen mit religiösen haben, es ist uns ein bisschen egal. Wir finden, „Wer hat, der gibt“ klingt catchy und trifft auf den Punkt gebracht unsere Forderung nach Umverteilung.

  2. Kann sein, dass das erstmal nach Freiwilligkeit klingt. Ist auch okay. Wir freuen uns über jede*n, der*die sein*ihr übertriebenes Vermögen zeitnah freiwillig der Gesellschaft zur Verfügung stellt, damit es allen Menschen zugute kommen kann. Schließlich entstehen solche Vermögen ja auch durch Diebstahl und ungerechtfertigte Akkumulation des durch andere erarbeiteten Mehrwerts. Wer nicht freiwillig abgibt, wird bald verpflichtet. Auch das wird im Aufruf klar.

  3. Schwieriger wird es bei der Frage nach dem generischen Maskulinum. Natürlich gendern wir normalerweise (siehe Rest des Aufrufs), weil wir dem Anspruch, alle Geschlechter mitzudenken und niemanden auszuschließen, gerecht werden wollen. Wir wissen, dass Frauen* in dieser Gesellschaft strukturell benachteiligt werden, und dass diese Mechanismen auch in unsere Gruppen wirken und in ihnen reproduziert werden. Ein Argument für den Titel war aber auf der anderen Seite, dass ein wirklich beträchtlicher Teil der Superreichen männlich ist (70% in D), hier nicht zu gendern also eigentlich ganz gut passt. Und wenn wir mit dem Titel Leute ansprechen, die dann den gegenderten Text lesen und inhaltlich für gut befinden, haben wir nichts verloren.

    Aber: Emanzipation geht nur intersektional*. Wir wollen auf unseren Aktionen keine Menschen, die sich nicht als pro-feministisch und antirassistisch verstehen.

    *https://de.wikipedia.org/wiki/Intersektionalit%C3%A4t